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KMU brauchen virtuelle LKWs
Logistik 
Blickpunkt KMU 01-2019
KMU brauchen virtuelle LKWs
Die Logistik ist heute viel mehr als nur ein Transport von A nach B oder eine Lagerung von Gütern.
AUTOR DR. PETER ACÉL
Sie ist der verlängerte Arm des KMU und bewirkt oft die Verstärkung der Produkteinmaligkeit durch Service. Zusätzliche, persönliche Dienstleistungen vor Ort hat kein «chinesisches» Produkt. Für gute Dienstleistungen zur Differenzierung braucht es in der Regel Herz und Blut. Apps und Internet auf dem Handy vereinfachen die Planung.
Mehrwert eigene LKWs
Mit allen anstehenden Trends (siehe unten Internet der Transporte) muss sich ein KMU sehr gut überlegen, ob es eigene LKWs braucht. Untersucht eine Firma 1:1 die Wirtschaftlichkeit eigener Fahrzeuge wird diese negativ sein, ausser man generiert dadurch Zusatzverkäufe beim Abladen oder Informationen zur nachträglichen Bearbeitung durch den Verkauf. Ein anderer Ansatz zur positiven Kostenbilanz sind Zusatzleistungen wie Ersatzgeräte, Reparaturen, Montagen, Kundeninstruktionen, die zusätzliche Einnahmen generieren. Einige Unternehmen haben den Weg über die Geschwindigkeit gewählt (z. B. Installationsmaterial Elektro, Apotheken). Das heisst, die Ware ist in Stunden vor Ort verfügbar, der Kunde braucht kein Lager und muss seinen Bedarf nicht planen. Für KMU ist dieser Service meistens nur im engeren Standortumfeld mit einer entsprechend hohen Kundendichte sinnvoll, da lange Anfahrtswege normalerweise nicht vergütet werden. Das Argument Produktkenntnisse, LKW mit Logo und Kundenkontakt sind alleine noch kein ausreichender Zusatznutzen für eigene LKWs. Alle Informationen stehen schon im Internet.

Für gute Dienstleistungen zur Differenzierung braucht es in der Regel Herz und Blut.
Eigene LKWs sind bequem
Wird ein eigener LKW verwendet, dann sehr häufig um Probleme in internen Abläufen zu verdecken. Probleme werden oft durch überflüssige Prozesse vermeintlich gelöst. Diese bieten Sicherheit, lösen aber die Ursachen nicht und nehmen den Druck auf Verbesserungen. Auch sind eigene LKWs eine gute Möglichkeit, sich als Mitarbeitender zu beschäftigen. Man beachte die relativ wenigen gefahrenen Kilometer pro Jahr, und dass es für jedes Fahrzeug mehr als einen Fahrer braucht. Die Schlüsselfrage ist: «Was ist der Zusatzgewinn?» oder «Ist mein Geschäftsmodell auch ohne eigene LKWs möglich?».
Die Alternative
Als Alternative bieten sich Logistikdienstleiter an. Diese Dienstleister sind Spezialisten auf ihrem Gebiet, sei es für Punkt-Punkt-Verbindungen, Verteilverkehre, multimodale Transporte oder Kurier-, Express- und Paketdienste. Diese haben die Chance – dank höherer Kilometerleistung pro Jahr – Mengen zu bündeln, und damit die Kosten sowie die Umweltbelastung zu senken. Logistikdienstleister sind sehr flexibel und bieten auch eine grosse Palette an Added Value Services an, z. B. Kommissionierung/Konfektionierung, Vormontage, Set-Bildung, 3-D-Druck, Verpacken, Regalpflege, Trace & Track im Minutentakt usw. Es lohnt sich nachzufragen!
Internet der Transporte
Wir stehen beim Thema Internet der Transporte erst am Anfang einer noch offenen Entwicklung. Alle sind betroffen. Digitalisierung fordert ein Umdenken und neue Arbeitsprozesse. Das Smartphone mit seinen Möglichkeiten wird entscheidend für Transporte sein. Apps zur Navigation mit laufender Berücksichtigung der Verkehrssituation, Parkplatzsuche, Ruhezeitenüberwachung und zum Scanning des Transportgutes sind bereits in Gebrauch.
Die Entwicklung im Sinn von Logistik 4.0 gliedert sich in mehrere Schritte: Der erste Schritt ist, Handling und Hardware durch Informationsmanagement zu ersetzen. Im zweiten Schritt werden einfache Entscheide zunehmend durch eine entsprechende künstliche Intelligenz autonom gefällt. Im dritten Schritt wird die Zukunft in Varianten simuliert und darauf bauend vorausgehende Entscheide getroffen. Die dazu notwendigen Sensoren und Aktoren sind bereits auf dem Markt oder werden gerade entwickelt.
 4.0-Apps bieten Hilfe
Täglich entstehen neue Apps und Einsatzgebiete, es herrscht Aufbruchstimmung. Die Arbeitsprozesse werden damit wirtschaftlicher, viel Papier und Aufwand ohne Wertschöpfung entfällt. Beispiele sind automatischer Kundenavis zur Ankunftszeit, elektronische Lieferscheine mit digitaler Unterschrift, automatische Rechnungsstellung, Schadensberichte inklusive Fotos, LKW-Betriebsstatus mit Standort, Laderaumfüllung und -temperatur usw. Ein gutes Beispiel dafür ist der digitale Transportauftrag – bei Paketen die Norm, in der Spedition noch Neuland.
Schweizer Import/Export
Auch der Bundesrat hat den Handlungsbedarf im Warenverkehr erkannt. Die Zollverwaltung soll ihre Abläufe im Projekt DaziT digitalisieren. Im Teilprojekt D «Redesign Fracht» ist unter anderem vorgesehen, LKWs an der Schweizer Grenze nicht mehr anzuhalten, sondern während der Fahrt zu prüfen. Das Teilprojekt umfasst die vollständige Digitalisierung der Prozesse für die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren. Die Erkennung der Fahrzeuge, die Risikoanalyse und die Verzollung werden durch die Digitalisierung automatisiert. Grenzwächter greifen nur bei Bedarf und bei Stichproben ein. Ein Pilotprojekt ist bereits für 2019 geplant.
 Auch der Bundesrat hat den Handlungsbedarf im Warenverkehr erkannt.
Transportdrehscheibe
Was Uber für Taxis ist, will seit Februar 2017 Pickwings als Transportportal für Lastwagen in der Schweiz werden. Das Online-Portal führt einen Abgleich von Angebot und Nachfrage durch. Die Buchung erfolgt über die Pickwings-App oder eine Internet-Plattform. Eine hohe Transparenz führt zu relativ konkurrenzfähigen Tarifen. Auch eine Bewertung der Chauffeure ist analog zu Uber integriert. Eine gute Alternative für sporadisch anfallende Transportaufträge. Migros hat das Potenzial erkannt und ist bereits sechs Monate nach der Pickwings-Gründung eine Partnerschaft eingegangen.
Die USA sind in der Entwicklung vergleichbarer Apps und beim Sammeln von Erfahrungen schon einiges weiter, z. B. die «Convoy»-App als Transportportal mit vielen Zusatzleistungen für den Chauffeur. Geschäftsmodelle wie diejenigen von Pickwings und Convoy öffnen den Weg Richtung Transportzukunft, in der das Transportgut selbstständig laufend über verschiedene Portale die bestmöglichen Transportalternativen (nach Zeit und/oder Kosten) suchen und benutzen wird.
 Amazon/ThyssenKrupp
Amazon als Kunde fordert seit 2017 bei Anlieferungen die Verwendung ihrer App «Amazon Relay». Diese App beinhaltet eine Verbindung der Rampenmitarbeitenden zu allen LKW-Fahrern in der Zustellung. Auch ThyssenKrupp hat für ihr Werkgelände in Duisburg eine «Trucker-App» erstellt. Diese erlaubt es den LKWs auf dem fast 10 km2 grossen Areal mit 70 km Strassen und ca. 600 Abladestellen zeitgerecht an der richtigen Rampe zu sein. Die Mitarbeitenden an den Entladestellen werden laufend informiert. Die verbundenen Lastwagen werden bereits bei der Anfahrt inklusive Ladung erfasst und geführt. Dies geschieht unter Berücksichtigung von Staus, Baustellen und temporären LKW-Sperrungen. Die Rampenzuordnung erfolgt dynamisch, je nach Eintreffen und Priorität der LKWs.
Fazit
Mit Anwendungen auf den Handys werden viele neue Dienstleistungen erst möglich und erlauben massiv weniger Personalaufwand, da Entscheidungsgrundlagen aktueller sind und höher automatisiert werden. Kundenseitige Apps werden Schritt für Schritt auch für alle Zulieferer sowie deren Zulieferanten und damit den KMUs bindend vorgegeben. Neben den Kostenaspekten ist als KMU zu überlegen, ob es sinnvoll ist seine Ressourcen darauf zu verwenden den eigenen LKW-Einsatz nach 4.0 à jour zu halten oder besser auf «virtuelle LKWs» beziehungsweise auf Transport-Plattformen zu setzen. Professionelle Logistikdienstleister werden nicht umhin kommen, diese 4.0-Entwicklungen zeitnah anzuwenden, um marktgerechte Angebote zu bieten. Vielleicht lohnt es sich für Sie, diesen Aspekt mit einem neutralen Experten anzuschauen?

AUTOR Dr. Peter Acél, 1959 ist Gründer der Dr. Acél & Partner AG Unternehmensberatung. Sein Team bilden zehn Mitarbeitende in Zürich sowie ein Netzwerk aus 140 Beratern. Zu den rund 300 Kunden in über 800 Projekten zählen seit 1996 Firmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung.
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