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«Planbarkeit der Transporte wird zunehmend schwieriger»
ASTAG 
Blickpunkt KMU 01-2019

«Planbarkeit der Transporte wird zunehmend schwieriger»
ASTAG-Präsident Adrian Amstutz sieht die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in Gefahr. Wegen der vielen Staus können KMU kaum mehr planen. Amstutz fordert umgehend Abhilfe, das Geld dafür sei vorhanden.
INTERVIEW THEO MARTIN /// BILDER ZVG
Blickpunkt KMU Herr Amstutz, fahren Sie selber auch Lastwagen?
Adrian Amstutz Das ist ein Bubentraum von mir – aber leider nein! Doch ein guter Reiter muss sich ja auch nicht erst als Pferd beweisen.
Was motiviert Sie, sich für die ASTAG einzusetzen?
Die absolute Unabdingbarkeit der Transportbranche! Ohne den verlässlichen und sicheren Einsatz der Transportfirmen mit ihren Berufsfahrerinnen und -fahrern bleiben die Ladenregale und damit die Essteller leer, die Baustellen stehen still, und die Tankstellen sind trocken. Es gibt kaum ein Produkt in unserem Leben, das nicht mit dem Lastwagen transportiert worden ist.
Was haben Sie in den letzten zehn Jahren erreicht?
Nicht ich, sondern die ASTAG-Familie hat als bewährtes Team Erfolge auszuweisen. So ist die wichtige Lehrlingsausbildung aufgebaut worden. Die Aus- und Weiterbildung mit den neu geschaffenen ASTAG-Kompetenzzentren in Bern, Cossonay, Dottikon und Gordola wurde optimiert. Zudem bildet heute die Armee auf unsere Forderung hin in der Rekrutenschule die Lastwagenfahrer bis und mit Berufsfahrertauglichkeit aus.
 «Wir brauchen keine Akademiker hinter dem Steuer.»
Und politisch?
Die Stärkung des Verbandes mit mehr Fachpersonal sowie die seriöse politische Arbeit, zusammen mit dem neu geschaffenen parlamentarischen Beirat, hat die ASTAG zur respektierten und ernst zu nehmenden Partnerin gemacht. Für Mitglieder bieten wir professionelle und verlässliche Fachberatung bei allen relevanten Themen.
Was halten Sie von ausländischen Chauffeuren, die zu Tiefstlöhnen fahren?
Nichts! Die ASTAG unterstützt die Einhaltung der mit unserem Sozialpartner Les Routiers Suisses von den Sektionen ausgehandelten Vereinbarungen. Gemäss einer Erhebung durch Les Routiers Suisses beträgt der Durchschnittslohn eines Lastwagen-Chauffeurs rund 5500 Franken. Das lässt sich im Vergleich mit anderen Branchen durchaus sehen. Dumpinglöhne aus dem Ausland brauchen und wollen wir nicht.
Wieso hat es in der Schweiz zu wenig Chauffeure?
Weil in den letzten Jahren die gesetzlichen Ausbildungsanforderungen teilweise – und für die Praxis unnötig – hoch angesetzt wurden. Wir brauchen keine Akademiker hinter dem Steuer, sondern verlässliche Praktiker.

Sie kritisieren auch die fehlenden Strassenkapazitäten. Was meinen Sie damit?
Wenn der Strassenverkehr in der Schweiz inzwischen jährlich fast 26 000 Stunden im Stau blockiert wird, dann hat dies auf die Versorgungssicherheit der Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz unnötige negative Konsequenzen. Transporte werden unberechenbarer und teurer. Der Umweg- und «Stop and Go»-Verkehr, der auch staatlich verursacht ist, belastet die Umwelt.
Was bedeutet das für die KMU?
Die für die Wirtschaft unabdingbare Planbarkeit der Transporte wird zunehmend schwieriger und durch die Staublockaden teurer. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit und belastet letztlich die Konsumentenschaft.
Wie schlimm ist die Stausituation für die Lastwagenfahrer?
Die Fahrer haben täglich mit diesen unberechenbaren Herausforderungen zu kämpfen. Der gleiche Staat, der sie im Stau blockiert, büsst sie dann noch wenn sie die Ruhezeiten nicht einhalten können. Es ist ja unmöglich, seinen Lastwagen in der Luft zu parkieren um die Ruhezeiten auf der Autobahn einzuhalten.
 «Es gibt kaum ein Produkt, das nicht mit dem Lastwagen transportiert worden ist.»
Was können die KMU dagegen tun?
In der Pflicht steht die Politik, nicht die Branche. Jetzt gilt es, endlich die lange vernachlässigte Engpassbeseitigung zu realisieren. Denn die KMU haben tatkräftig mitgeholfen, dass die Volksabstimmungen zum Gotthard-Sanierungstunnel und zum neuen National- und Agglomerationsfonds erfolgreich waren. Das Geld ist jetzt vorhanden – also los!
Hat sich die Situation bei den Haltestellen eigentlich verbessert?
Ja, ein wenig. Aber es gibt sowohl auf den Autobahnen wie auf den Kantonsstrassen deutlich zu wenig Ausstellplätze, die für Nutzfahrzeuge zur Verfügung stehen. Der Auftrag für die Politik ist klar, beim Bau der Plätze hapert es aber noch.
Wie viele Bussen zahlen eigentlich die Schweizer Chauffeure pro Jahr?
Ich bin nicht der Wahrsager Mike Shiva… hoffentlich möglichst wenige! Immerhin dürfen wir feststellen, dass unsere Fahrerinnen und Fahrer dank obligatorischer Weiterbildung sehr professionell unterwegs sind.
Wie hoch ist die Abgabelast generell?
Die LSVA beträgt rund 1,5 Milliarden pro Jahr. Dazu kommt eine lange Liste an Abgaben wie die Importsteuer, Zollgebühren, Motorfahrzeugsteuern, Treibstoffsteuern usw.
Gibt es in Ihren Augen weitere Verkehrsschikanen?
Die in Mode gekommenen, für Lastwagen teilweise untauglichen Kreisel und Strassenmöblierungen sind für die Chauffeure ein Spiessrutenlauf.

Woher kommt die mangelnde Wertschätzung der Branche?
Wer hinschaut und die Unabdingbarkeit realisiert, der schätzt die Branche. Gewisse rotgrüne Ideologen glauben aber leider immer noch, die Biomilch werde mit dem Berner Sennenhund in die Migros gebracht, oder das Baumaterial für ihre Wohnung sei mit Ross und Wagen transportiert worden.
Was tun Sie dagegen?
Informieren, motivieren, organisieren und realisieren. Die ASTAG investiert in Aus- und Weiterbildung, setzt sich ein für moderne saubere Lastwagen und optimierte Transportketten, unter Einbezug des Bahn-Güterverkehrs usw.
Wie hat sich eigentlich die Zusammenarbeit mit SBB Cargo im laufenden Jahr verändert?
Die Zusammenarbeit hat sich stark verbessert und ist mittlerweile sehr positiv. Das Problem sind die fehlenden Schienenkapazitäten. Entgegen aller Versprechungen hat nicht die Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene Priorität. Stattdessen wird der Personenverkehr bevorzugt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auch bei der laufenden OBI-Vorlage im Parlament (Organisation der Bahn-Infrastruktur) liegt der Fokus wiederum auf dem Personenverkehr.
 «Chauffeure wird es noch lange brauchen.»
Ist die Bahn kostenmässig noch konkurrenzfähig?
In gewissen Bereichen ist die Bahn konkurrenzfähig, und das ist auch gut so. So können Güter im Gegensatz zum Lastwagen auch in der Nacht transportiert werden. Auch der Transittransport über lange Distanzen ist für nicht verderbliche und nicht pressante Güter eine gute Alternative. Es sind übrigens vorab die ASTAG-Mitglieder, welche die Güter auf die Bahn verlagern und nicht die rotgrünen Leiterwägelipiloten.
Was wird das autonome Fahren verändern?
Wunder dauern bekanntlich etwas länger. Es gilt, sowohl technisch wie auch gesetzlich und sicherheitsmässig noch enorme Hürden zu überwinden. Was genau daraus resultiert, ist noch offen. Die ASTAG begleitet diese Entwicklung mit grossem, aber ergebnisoffenem Engagement.
Braucht es künftig weniger Chauffeure?
Das ist in weiter Ferne. Chauffeure wird es noch lange brauchen. Nicht nur um die Sicherheit zu gewährleisten, sondern auch um die Güter auftragstreu auf- und abzuladen, die Qualität zu sichern usw.

Wie wird sich die Branche in den nächsten fünf Jahren verändern?
Die Digitalisierung wird sicher eine enorme Veränderung bringen. Doch aller Technik zum Trotz: Handwerk hat goldenen Boden, und dies wird noch lange so bleiben. Internet, Big Data, autonomes Fahren hin oder her.
Wo holen Sie sich eigentlich die Kraft für Ihr Engagement?
Aus der klaren Überzeugung für die absolut unverzichtbare Transportbranche tätig sein zu dürfen. Ich bin stolz darauf, Zentralpräsident der ASTAG zu sein. Der Verband mit seinen über 4000 Mitgliedern stellt täglich die Ver- und Entsorgung der Schweiz und ihrer Menschen sicher. ?
Das Interview wurde schriftlich geführt
Zur Person
Adrian Amstutz (1955) ist Unternehmer und Politiker. Der Sigriswiler ist Miteigentümer und Geschäftsführer des Architektur- und Bauleitungsbüros Amstutz Abplanalp Birri AG. Seit 2008 ist er Zentralpräsident des schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes ASTAG und gehört dem Exekutivrat von Swiss Olympic an. Seit 2003 ist er Nationalrat. Von 2012 bis 2017 stand er zudem der SVP-Fraktion der Bundesversammlung vor.
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